Digitale Prüfungen

Dieser Beitrag beruht teilweise auf dem Blog-Beitrag von Catherine Shea SangerTeaching intelligence: how to take your classes online

Es gibt zahlreiche digitale Werkzeuge um digitale Prüfungen durchführen zu können. Ilias hat ein Prüfungsmodul. In Stud.IP gibt es das „Vips“ Modul. Grundsätzlich können Prüfungen wie gehabt synchron, darüber hinaus aber auch asynchron durchgeführt werden. Bei digitalen bzw. online durchgeführten Prüfungen stellt sich dabei immer die Frage:

Wie können wir Betrug und Plagiate verhindern?

Für das Aufdecken von Plagiaten können wir verdächtige Sätze einfach mit Copy / Paste über eine Suchmaschine wie Google suchen. Daneben gibt es digitale Werkzeuge zur Aufdeckung von Plagiaten wie Turnitin.

Wir können aber auch pädagogische und gestalterische Strategien anwenden, die es Studierenden erschweren, einfach aus Online-Quellen oder aus anderen Quellen zu kopieren.

A) Schriftliche Prüfungen / Open Book Examinations

  1. Vermeiden sie leicht zu betrügende Formate wie die simple Abfrage von Faktenwissen mit Multiple-Choice- oder objektiven Fragen (einfache richtige oder falsche Antworten).
  2. Stellen Sie Studierenden neben üblichen Aufgaben zusätzlich Prozess-Fragen zur Förderung der Metakognition. Hierbei beschreiben Studierende ihre Erfahrungen beim Lösen von Aufgaben, Schreiben eines Aufsatzes oder beim Ablegen sonstiger Prüfungen.
  3. Lassen Sie Studierende Konzepte erklären, Schlussfolgerungen ziehen, Wissen an einem neuen Problem anwenden oder kreative, innovative Ideen entwickeln.
  4. Stellen Sie komplexe, herausfordernde Aufgaben:
    • Beschreiben Sie einen selbst erleben Fall zum Behandlungs-Anlass … (z.B. akuter Thoraxschmerz, chronische Diarrhoe, akuter Bauchschmerz, akute Luftnot, …) 
      • Was war passiert?
      • Beschreiben Sie die zwei wichtigsten Fragen, die Sie dem Patienten gestellt haben und begründen Sie ihre Auswahl?
      • Welche Fragen würden Sie dem Patienten heute retrospektiv darüber hinaus stellen?
      • Welcher körperlicher Untersuchungsbefund hat Sie am meisten überrascht? Warum?
      • Sortieren Sie Ihre Verdachtsdiagnosen von extrem wahrscheinlich nach extrem unwahrscheinlich und nennen Sie dafür jeweils ein schlagkräftiges Argument / Stichwort.
      • Welcher Notfall könnte die Situation des Patienten akut verschlimmern?
      • Beschreiben Sie, welche zwei Parameter Sie für unser Anwendungsbeispiel / Fallgeschichte am hilfreichsten fanden und begründen Sie Ihre Auswahl.
      • Sortieren Sie veranlasste technischen Untersuchungen in die Reihenfolge: „am zielführendsten“ bis „nutzlos“. Begründen Sie den Listenplatz mit einem Argument / Stichwort.
    • Beschreiben Sie ein Anwendungsbeispiel für eine bestimmte technische Untersuchung.
    • Lassen Sie nach einer Fallvignette ein Formular vollständig ausfüllen (Radiologie – Anforderung, Pathologie (Biopsie-Begleitschein / Autopsie-Antrag), …)
    • Beschreiben Sie Ihre Strategie für ein Angehörigen-Gespräch, damit Sie die Einwilligung für eine Organspende / Autopsie bekommen.
    • Beschreiben Sie ein eine Metapher / Eselsbrücke für … (eine bestimmte Struktur / Funktion / Klassifikation).

B) Korrektur von massenhaft Freitextaufgaben

Wenn sie solche Freitext-Fragen stellen stellt sich natürlich die Frage, wer die vielen Freitextfragen korrigiert? Hier eine mögliche Lösung.

  • Studierende schreiben jeweils eine „Haus-Arbeit“ (alleine, im Tandem oder Team).
  • Anschließend werden die Arbeiten anonymisiert.
  • Studierende (oder Tandems / Teams) bekommen 3 Arbeiten zugelost.
    • Studierende geben Peer-Feedback oder bewerten die Arbeiten, gegebenenfalls auch mit strukturierter Vorlage.
    • Anschließend bewerten Studierende Ihre eigene Aufgabe (in Relation zu den bewerteten zugelosten Aufgaben), nicht nur zur Förderung der Selbsteinschätzung.
    • Optional ist eine zweite Runde denkbar:
    • Studierende überarbeiten Ihre eigene Aufgabe unter Berücksichtigung der drei anonymisierten Peer-Bewertungen
    • Peer Review Studierende bewerten / geben Feedback zur Überarbeitung

C) Diversifizieren sie Prüfungsformate

  1. Führen sie mündliche Prüfungen per Web-Konferenz mit Jitsi, BigBlueButton, Zoom oder Skype durch. Jitsi und BigBlueButton können Sie auf einem eigenen Server installieren. Dabei werden vom Stream keine Daten gespeichert. Ein wichtiger Punkt bei offiziellen Prüfungen.
  2. Lassen sie Studierende komplexere Artefakte erstellen: Studierende erstellen Podcasts, Vodcasts, YouTube-Videos, Poster, Prezi-Präsentationen und erhalten Peer-Feeback oder Bewertungen.

D) Kollaboration und Multitasking einbeziehen
Bei üblichen Test im Rahmen eines Studiums wird eine Kollaboration in der Regel gezielt verhindert. Im richtigen Leben kommt es aber so gut wie niemals vor, dass Arbeiten in völliger Isolation produziert werden. Folgerichtig müssten wir zumindest einen Teil der Prüfungen ganz bewusst als kollaborative Prüfungen in kleinen Teams oder im Duett als Tandem-Prüfung entwerfen.

  1. Entwerfen wir Aufgaben, die auf die „reale Welt“ vorbereiten, in der wir Bücher, Internetquellen und Kollegen zur Hilfe haben. Dadurch fördern wir bei Studierenden insbesondere kommunikative Kompetenzen, Diskussionskultur, kritisches Denken und Medien-Kompetenz.
    • Verstöße gegen die akademische Integrität gehen oft auf Selbstzweifel zurück, was wiederum zu Panik und anschließendem Betrug führt
    • Unterstützung der Studierenden beim Aufbau ihres Selbstbewusstseins verringert dieses Risiko
    • Wir können Wissen, Kompetenzen und Vertrauen aufbauen, indem wir Studierenden transparent unsere kompetenzbasierten Lernziele, Lehrformate und Bewertungsstrategien (i.e. Constructive Alignment) kommunizieren
    • Integrieren Sie beispielsweise Lernaktivitäten, mit denen Studierende ein bestimmtes Bewertungs- bzw. Prüfungsformat üben können. So sind sie auf die endgültige Prüfung besser vorbereitet
    • Dozierende können auch die Situation entspannen indem sie ihre eigenen Erfahrungen über Misserfolg und eigener Lernkurve teilen. So ermutigen sie Studierende auf ihr eigenes Wissen und Können zu vertrauen, anstatt Andere zu plagiieren

E) Verteilen wir die Aufgaben auf mehrere Tage

Um den Prüfungsstress zu vermindern und kontinuierliches Arbeiten zu fördern, könnten die Aufgaben auch auf verschiedene Prüfungstage verteilt werden.
Tag 1:
Studierende bekommen eine komplexe Fall-Vignette und beantworten die Frage: Welche zwei Ereignisse aus der Fallvignette hatten den größten Einfluss auf den tatsächlichen Krankheitsverlauf?
Tag 2:
Begründen Sie Ihre Auswahl und beschreiben Sie die zugrunde liegende Pathophysiologie?
Tag 3:
Welche Literatur/Quelle würden Sie Ihren Kommilitonen zum Fall anraten? Begründen Sie Ihre Auswahl.
Tag 4:
Beschreiben Sie kompetenzbasierte Lernziele, die aus dem Fall gelernt werden können.
Tag 5: …

F) Vertrauen ist gut und kann eingefordert werden
Warum soviel Zeit damit verschwenden, darüber nachzudenken, wie Betrug minimiert werden kann. Nutzen wir die Zeit uns damit zu beschäftigen, wie wir unser Lehren und das Lernen unserer Studierenden verbessern können. Prüfungsaktivitäten können auch Lernaktivitäten sein. Sie bieten Studierenden Möglichkeiten ihr Wissen und ihre Kompetenzen zu festigen und zu vertiefen.

  • Schließen wir einen schriftlichen Vertrag mit den Lernenden. Wir versprechen ein hochwertiges Curriculum mit „Constructive Alignment„, Studierende versprechen Ehrlichkeit und gute wissenschaftliche Praxis.